Motoren sind leiser als Reifen

    Die politische Diskussion über Strassenlärm hat sich auf angeblich laute Motoren eingeschossen. Dabei sind die Abrollgeräusche der Reifen lauter. Und mit besseren Belägen liesse sich die Lärmbelastung noch einmal spürbar reduzieren.

    (Bild: pixabay) Versachlichung der Debatte: Bessere Beläge sind gefragt.

    Die politische und mediale Debatte über vermeintlich zu laute Motoren verläuft ihrerseits ziemlich laut. Regelmässig erhitzen sogenannte Autoposer die Gemüter. Verschiedene Gemeinwesen wollen mit neuartigen Lärmmessanlagen («Lärmblitzer») gegen Motorengeräusche vorgehen. Derzeit testet der Bund in Röschenz (BL) eine solche Anlage. Die Strecke am Challpass ist beliebt bei Töff- und Sportwagenlenkern. Auch Genf und Lausanne führten bereits Tests mit Lärmblitzern durch, die Stadt Zürich hat eigene Versuche angekündigt.

    Das Thema ist heftig umstritten. Da ist einerseits die Lärmfrage – was für die einen Lärm ist, ist für die anderen eine Sinfonie. Andererseits dreht sich die Debatte aber auch um juristische und technische Fragen. Noch fehlen die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung von Lärmmessgeräten. Eine parlamentarische Initiative von Gabriela Suter (SP/AG) möchte dies ändern. Sie ist bereits an den Bundesrat überwiesen worden. Mit einem zweiten Vorstoss wollte die Sozialdemokratin und Präsidentin der Lärmliga Schweiz gar ein Fahrverbot von Motorrädern mit einem Standpegel von über 95 Dezibel erreichen. Während damit gezielt die Motorradfahrer ins Visier genommen werden, sind von der parlamentarischen Lärmblitzer-Initiative auch die Automobilisten in der Schweiz betroffen.

    Lärmblitzer sind illegal
    Kritiker weisen hingegen darauf hin, dass weder die juristischen noch die technischen Fragen gelöst sind. Der ehemalige Nationalrat Walter Wobmann (SVP), Präsident von Swiss-Moto, des offiziellen Motorradfahrerverbands der Schweiz, betont, «dass man nicht belangt werden darf, wenn man mit einem legal zugelassenen Fahrzeug unterwegs ist», wie er gegenüber dem Mobilitätsportal «Streetlife» sagte. Ausserdem sei auch der Vergleich mit dem Geschwindigkeitsradar unzulässig: Dort sei das Limit sichtbar gekennzeichnet und das Tempo sei auf der Anzeige ersichtlich – anders als beim Lärm. Darum folgert Wobmann: «Lärmblitzer sind – Stand heute – illegal.»

    Motoren nicht grösste Lärmquelle
    Das wissen auch die Regulatoren und Gesetzgeber. So ist die EU daran, Lärmanzeigen einzuführen. Weiter ist absehbar, dass auch die heutige Lärmmessung geändert und die Vorgaben verschärft werden.

    Der von den Medien verstärkte Hype um den Strassenlärm unterschlägt allerdings gerne die Tatsache, dass entgegen der subjektiv vorherrschenden Wahrnehmung nicht die Motoren die grösste Lärmquelle sind, sondern die Abrollgeräusche der Reifen. «Verbrennungsmotoren sind in den letzten Jahren deutlich leiser geworden», hält das Umweltministerium des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen fest. Und das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) schreibt: «Das Abrollgeräusch der Reifen verursacht bei konstanter Fahrt bereits ab 20 km/h mehr Lärm als das Antriebsgeräusch der Autos.» Darum rät der Bund: «Mit leiseren Reifen lässt sich der Lärm markant reduzieren, und zwar direkt an der Quelle.»

    Wirkung wie bei Halbierung des Verkehrs
    Denn Reifen unterschieden sich in ihren Gebrauchseigenschaften erheblich voneinander. Die Europäische Union hat eine Reifenetikette eingeführt. Diese ist auch in der Schweiz seit 10 Jahren obligatorisch. Sie informiert über Nasshaftung, Lärm und Energieeffizienz. «Mit den Kategorien von A bis E, respektive A bis C beim Lärm, lehnt sie sich an der bekannten Energieetikette für Personenwagen und Elektrogeräte an», so das BAFU. Was leisere Reifen für einen Effekt hätten, beschreibt es so: «Wären alle Motorfahrzeuge mit leisen Pneus ausgerüstet, würde die Lärmbelastung in etwa gleich stark sinken wie bei einer Halbierung des Verkehrs.»

    Hinzu kommt, dass auch die Strassenbeläge eine entscheidende Rolle spielen. Geeignete Beläge können den Lärm ebenfalls weiter «markant reduzieren», wie das BAFU betont. Zu den technisch-physikalischen Aspekten schreibt es: «Je nach Zusammensetzung und Bauweise des Strassenbelags unterscheidet sich die Schallintensität der Abrollgeräusche von Motorfahrzeugen. Bestimmend für das akustische Verhalten von Strassenbelägen sind die Korngrösse und der Hohlraumgehalt, sowie die Gestaltung, Porosität und Elastizität einer Strassenoberfläche. Je kleiner das grösste Korn eines Mischgutes und je grösser der Hohlraumgehalt, desto leiser ist ein Belag.»

    Ein Belag gilt dabei als «lärmarm», wenn die Lärmreduktion im Vergleich zu einem neutralen Referenzbelag am Ende der Nutzungsdauer mindestens 1 Dezibel beträgt. Lärmarme Beläge innerorts können den Lärm gemäss BAFU im Neuzustand um etwa 8 Dezibel, am Ende der Nutzungsdauer um rund 3 Dezibel mindern. Der Effekt von besseren Belägen ist wie bei den Reifen beträchtlich: «Drei Dezibel entsprechen in etwa einer Halbierung der Verkehrsmenge», so das BAFU.

    In Anbetracht dieser Fakten wirkt die hitzige Diskussion um einzelne laute Motoren eher unsachlich. Mit anderen Massnahmen, die ohne Verbote, Überwachung und Bussen auskommen, lässt sich erwiesenermassen viel mehr erreichen.

    Dr. Philipp Gut

    Vorheriger Artikel«Die Schweiz Schritt für Schritt klimafreundlicher machen»
    Nächster ArtikelLiebenswerter – und sagenhaft krimineller – Bözberg