«Es braucht ein neues Finanzierungsmodell»

    Weil es immer mehr Elektroautos gibt, die keine Mineralölsteuer zahlen, sinken die Einnahmen für die Strasseninfrastruktur. Nationalrat und Verkehrspolitiker Walter Wobmann fordert jetzt Alternativen. Und er erklärt, wie der Motorsport klimafreundlich wird. 

    Herr Wobman, die hohen Treibstoffpreise machen den Leuten zu schaffen. Rund 85 Rappen pro Liter Benzin oder Diesel gehen als Steuern und Abgaben an den Staat. Sie möchten das Portemonnaie der Automobilistinnen und Automobilisten entlasten. Wie sieht Ihr Vorstoss aus? Im Falle signifikanter und länger andauernder Anstiege der Energiepreise, welche aufgrund von plötzlichen Veränderungen seitens der Angebots- und/oder Nachfrageseite entstehen oder entstanden sind, wird der Bundesrat beauftragt, der Bundesversammlung einen Erlassentwurf vorzulegen, mit dem der Bund befristet ein Entlastungspaket zum Beispiel über die Mineralölsteuer auf Treib- und Brennstoffen einführt. Dieses soll nicht zu Lasten der gebundenen Ausgaben ausfallen, sondern aus der allgemeinen Bundeskasse gespiesen werden. Die Zweite Motion verlangt, dass der Pendlerabzug bei den Bundessteuern von 3’000 auf 6’000 Franken erhöht wird.

    In der Verkehrspolitik ist auch sonst einiges in Bewegung. Der Nationalrat strebt verschiedene Änderungen beim Strassensicherheitspaket «Via sicura» an. Geben Sie uns bitte ein Update über den Stand der Dinge. Neu sollen die Richter wieder Ermessensspielraum erhalten, so wie dies auch bei anderen Straftaten der Fall ist, und beim Fahrausweisentzug soll die Mindestdauer beim ersten Mal von 24 auf 12 Monate reduziert werden.

    In der Schweiz herrscht ein Verbot von Rundstreckenrennen, das als nicht mehr zeitgemäss gilt. Nun möchte es die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) des Nationalrats aufheben. Welche Argumente haben die Kommission überzeugt? Dieses Verbot wurde als Folge des schweren Unfalles von Le Mans im Jahre 1955 in der Schweiz erlassen. Seit dieser Zeit – und das sind nun immerhin 67 Jahre – hat sich sehr viel verändert. Heute werden die meisten Rennen auf speziellen, permanenten Rennstrecken ausgetragen, welche für die Zuschauer sicher sind. Also nicht mehr wie früher auf öffentlichen Strassen. Die Formulierung bei Art. 52 bezieht sich ja eigentlich auf öffentliche Strassen und nicht ausdrücklich auf spezielle Anlagen. Zudem ist zu beachten, dass auch die Fahrzeuge, die Ausrüstung und die Ausbildung der Sportler heute ein enorm hohes Sicherheitsniveau erreicht haben, was vor 67 Jahren noch gar kein Thema war. Auf einer modernen Rennstrecke fühlt man sich heute sicherer als im normalen Strassenverkehr. Geschwindigkeit an solche muss nämlich gar nicht gefährlich sein, wenn man am richtigen Ort ist und entsprechend damit umgehen kann.

    Was bedeutet das Rundstreckenverbot für den Motorsport in der Schweiz? Das Verbot kommt auch einer Diskriminierung einer ganzen Sportart gleich. Unser Land hatte und hat auch heute noch viele erfolgreiche Spitzenmotorsportler. Im Motorradbereich aktuell mit Dominique Aegerter als Supersport-Weltmeister und Schlosser/Fries als Seitenwagenweltmeister. Hunderttausende schauen jeweils die Fernsehübertragungen. Die Profirennfahrer sind aber wegen dem Rundstreckenrennverbot in der Schweiz mit einem Berufsverbot belegt, was eigentlich gegen unsere Verfassung ist. Unsere Schweizermeisterschaft, müssen wir wegen dem Rundstreckenrennverbot im Ausland durchführen. Die Reisen sind entsprechend weit, und der Aufwand für alle sehr gross. 

    Zudem gehen jährlich tausende von Auto- und Motorradfahrern auf ausländische Rennstrecken an Trainings- und Fun Veranstaltungen. 

    Wie steht es mit dem Umweltaspekt? Das Verbot ist auch nicht im Sinne des Umweltschutzes. So werden zusätzliche Ressourcen verbraucht. Ab 2024 muss in der Motorradweltmeisterschaft zu 40% synthetischer Treibstoff eingesetzt werden, und ab 2027 wird es 100% sein. Der Motorsport wird also zunehmend CO2-neutral! Zudem werden im Rennsport auch neue Techniken entwickelt und getestet. So z. B. auch beim Antrieb: Elektro, Hybrid, Wasserstoff oder eben auch synthetischer Treibstoff. Zu beachten gilt auch: Der vorliegende Antrag verlangt nur die Aufhebung des völlig überholten Rundstreckenrennverbotes. Allfällige Bewilligungen für Projekte und Veranstaltungen müssten nachher von den Kantonen vorgenommen werden, so wie es heute bei allen andern Sportveranstaltungen der Fall ist. Aus sportlicher, wirtschaftlicher, technologischer und ökologischer Sicht und auch aus Sicht der Verkehrssicherheit muss dieses überflüssige und weltweit einzige Rundstreckenrennverbot nun endlich abgeschafft werden. Motorsport ist und bleibt faszinierend. Es ist die Kombination von Mensch, Technik, Wettbewerb, Emotionen und Spektakel, die das Ganze einmalig macht. 

    Ein grosses Thema ist die zukünftige Finanzierung des Verkehrsinfrastruktur. Schauen wir zuerst die Ausgangslage an. Wo zeichnen sich Lücken bei der Finanzierung ab? Der Treibstoffverbrauch sinkt und es gibt immer mehr elektroangetriebene Fahrzeuge. Somit sinken auch entsprechend die Treibstoffabgaben, welche in den Strassenfinanzierungsfonds fliessen. Also wird das Geld für den Strassenunterhalt und Strassenausbau fehlen. Darum braucht es ein neues Finanzierungsmodell.

    Ist es richtig, dass Elektroautos gratis herumfahren, während die übrigen Automobilisten durch die Mineralölsteuer die Strassen bezahlen? Nein, dieser unfaire Zustand muss dringend korrigiert werden, denn die Elektrofahrzeuge brauchen die Strassenverkehrsinfrastruktur genau gleich wie die anderen Fahrzeuge. Aber sie bezahlen kaum etwas daran.

    Wie sollten wir die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sicherstellen? Alle Strassenbenützer müssen sich an den Kosten beteiligen. Wie dies geschehen soll, wird zurzeit sehr intensiv diskutiert. Eine Idee ist z. B. eine Kilometerabgabe, wie bei der LSVA. Im Gegenzug müssten aber alle anderen Abgaben aufgehoben werden.

    Sie fordern eine Erhöhung des Pendlerabzugs von 3’000 auf 6’000 Franken. Wie stark würde das den Mittelstand entlasten? Dies würde die Leute, welche einen weiten Arbeitsweg haben, und auch das Gewerbe steuerlich entlasten.

    Sprechen wir noch über weitere Umweltaspekte. Die Technik macht enorme Fortschritte. Ein Beispiel sind die erwähnten klimafreundlichen synthetischen Treibstoffe. Wie sieht da die Entwicklung aus? Ja, diese Entwicklung läuft auf Hochtouren. Synthetischer Treibstoff kann CO2-neutral produziert werden und damit können auch die herkömmlichen Verbrennungsmotoren weiter betrieben werden.

    Welche Chancen geben Sie der Wasserstofftechnologie? Auch für Wasserstoff sehe ich eine grosse Zukunft. Vor allem beim Gütertransport im Langstreckenverkehr. Aber nebst dem Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb gibt es auch die Möglichkeit der Wasserstoff-Direkteinspritzung bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Auch deren Entwicklung ist in vollem Gange. Wir müssen offen sein für neue Technologien, uns aber nicht durch Verbote und schädliche Abgaben in eine falsche Richtung leiten lassen.

    Letzte Frage: Sie politisieren seit fast 20 Jahren aktiv und mit Erfolg im Nationalrat. Mit verschiedenen Volksinitiativen wie dem Kampf gegen die Erhöhung der Vignette oder der Anti-Minarett-Initiative trafen Sie den Nerv der Bevölkerung. Worüber haben Sie sich am meisten gefreut? Alle Abstimmungserfolge sind genugtuend und machen Freude, denn Volksinitiativen und auch Referenden brauchen enorme Anstrengungen und Engagements. 

    Dr. Philipp Gut 


    Zur Person: Walter Wobmann ist Nationalrat (SVP) und einer der prägenden Verkehrspolitiker der Schweiz. Er arbeitet als Geschäftsführer und präsidiert den Schweizer Motorradverband FMS. Früher fuhr es selbst Motorradrennen. 

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